Gastbeitrag:
Der Ehevertrag – klischeebehaftet und unterschätzt!
Mein Name ist Niklas Clamann und ich habe mich als Rechtsanwalt auf die Durchführung von einvernehmlichen Scheidungen spezialisiert.
In meinem Arbeitsalltag erlebe ich immer wieder, dass es während des Scheidungsverfahrens zu erheblichen Auseinandersetzungen zwischen den Paaren kommt, da diese für den Fall der Scheidung keine Regelungen getroffen haben und sie im Zeitpunkt der Trennung dann nicht mehr bereit oder emotional in der Lage sind faire Lösungen zu finden.
Auch Mandanten, die ansonsten im Bereich Vorsorge und Vermögensschutz sehr gewissenhaft ihre Angelegenheiten geregelt haben, lassen ihre Ehe hierbei häufig völlig außen vor. Wenn ich dann bei der Scheidung meinen Mandanten Frage, weshalb sie nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, in einem Ehevertrag schon gemeinsame Regelungen zu treffen, sind die Antworten meist dieselben: Man habe nicht riskieren wollen, dass es deswegen Streit gibt; man habe nicht das Gefühl vermitteln wollen, man würde an der Ehe zweifeln oder einen Ehevertrag würden nur Leute machen, die Vermögen vor dem anderen Ehepartner verbergen wollen.
Diese Gründe entsprechen auch den gängigen Klischees, die sich in unserer Gesellschaft in Bezug auf Eheverträge noch immer hartnäckig halten. Warum Eheverträge jedoch keinesfalls schlecht sind, sondern eine wunderbare Möglichkeit darstellen, gemeinsam selbstbestimmte Regelungen zu treffen, möchte ich gerne näher erläutern.
Denn anders als es in Film- und Fernsehen häufig suggeriert wird, muss ein Ehevertrag nicht bedeuten, dass alle Unterhaltsansprüche ausgeschlossen werden und überhaupt kein Zugewinn- oder Rentenausgleich mehr stattfindet. Vielmehr bietet er einem die Möglichkeit selbst zu entscheiden, wie man mit dem eigenen Vermögen umgehen möchte und die gesetzlichen Regelungen entsprechend dieser Wünsche anzupassen.
Was passiert, wenn man keinen Ehevertrag hat?
Wenn man keinen Ehevertrag schließt, finden die gesetzlichen Regelungen zum Zugewinn, zum Unterhalt und zum Versorgungsausgleich (also dem Ausgleich der während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften) Anwendung.
Diese sind keinesfalls schlecht, allerdings handelt es sich dabei um Regelungen, die der Gesetzgeber für eine Vielzahl von Fällen getroffen hat, ohne dass dabei auf die jeweiligen individuellen Bedürfnisse und Wünsche der Ehepartner Rücksicht genommen wird. Außerdem wurden diese Regelungen zu einer Zeit entwickelt, als die Gesellschaft vorwiegend von sogenannten „Hausfrauenehen“ geprägt war und aufgrund dessen ein besonderer Fokus auf dem Schutz des „unterlegenen“ Ehepartners lag. Aus diesem Grunde sehen die gesetzlichen Regelungen bei einer Scheidung einen umfassenden Ausgleich des während der Ehezeit erworbenen Vermögens und der während der Ehezeit erworbenen Rentenansprüche in Form des Zugewinn- und des Versorgungsausgleichs vor.
Für den Zugewinnausgleich bedeutet das, dass bei jedem Ehegatten zunächst ermittelt wird, welches Vermögen er zu Beginn der Ehe und welches Vermögen er zum Ende der Ehe, genauer zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages hat. Die Differenz zwischen dem zu diesen Zeitpunkten ermittelten Vermögen stellt den Zugewinn dar. Im Rahmen des Zugewinnausgleichs werden sodann die jeweiligen Zugewinne beider Ehegatten gegenübergestellt und die Differenz zwischen diesen Zugewinnen wird sodann hälftig geteilt und an denjenigen mit dem geringeren Zugewinn überwiesen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Versorgungsausgleich. Hierbei werden die während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften jedes Ehegatten geteilt und eine Hälfte dem jeweils anderen gutgeschrieben.
Welche Möglichkeiten bietet ein Ehevertrag?
Da diese Regelungen jedoch nicht für jedes Lebenskonzept gleichermaßen passend sind, bietet der Ehevertrag die Möglichkeit, Anpassungen vorzunehmen. Denn viele Paare möchten zwar einerseits trotz der Ehe die finanzielle Eigenständigkeit bewahren, andererseits aber auch eine gewisse Sicherheit für denjenigen schaffen, der etwa wegen der Kindererziehung beruflich zurücksteckt.
Hierfür bietet es sich an, die gesetzlichen Regelungen dementsprechend anzupassen, etwa in dem man im Ehevertrag bestimmt, welches Vermögen im Rahmen des Zugewinnausgleichs ausgeglichen werden soll und welches gerade nicht. In der Praxis spielt das insbesondere eine Rolle, wenn ein Ehepartner ein Unternehmen hat, welches nicht durch etwaige Zugewinnausgleichsforderungen gefährdet werden soll. Es besteht dann die Möglichkeit, das Unternehmen als Vermögenswert dem Zugewinnausgleich zu entziehen. Gerade in der jüngeren Vergangenheit spielte diese Möglichkeit auch für Paare eine immer größere Rolle, die sich mit dem Vermögensaufbau durch ETFs und andere Wertpapiere beschäftigen. Denn auch hier könnten durch die ggfs. anstehenden Zugewinnausgleichsansprüche geplante Sparpläne durcheinandergebracht und damit Erträge gemindert werden. Auch hier besteht die Möglichkeit, die entsprechenden Wertpapiere dem Zugewinnausgleich zu entziehen und damit das Risiko, dass der Sparplan nicht eingehalten werden kann, ausgeschlossen werden.
In dem man hierbei jedoch nur bestimmte Vermögenswerte ausschließt und den Zugewinnausgleichsanspruch ansonsten unberührt lässt, trägt man auch dem Umstand Rechnung, dass in einer Ehe der Vermögenserwerb des einen häufig durch die Unterstützung des anderen begünstigt wird, da dieser dem Partner beispielsweise den Rücken freihält, wenn es mal stressig wird oder den Haushalt schmeißt, wenn der andere dazu gerade keine Zeit hat.
Gleiches gilt für den Versorgungsausgleich. Man kann auch hier entweder den Ausgleich der Rentenansprüche völlig ausschließen, oder aber Modifizierungen des Versorgungsausgleiches vornehmen und beispielsweise nur die gesetzlichen Rentenanwartschaften ausgleichen. So hat jeder die Möglichkeit nach den eigenen Vorstellungen weitere Maßnahmen zur Altersvorsorge zu treffen, ohne fürchten zu müssen im Falle einer Scheidung die Hälfte davon abtreten zu müssen. Dennoch findet weiterhin ein Ausgleich statt, sodass derjenige, der beruflich zugunsten der Ehe zurücksteckt, nicht schutzlos gestellt wird.
Auch bezüglich etwaiger Unterhaltsansprüche kann es sinnvoll sein, diese bereits im Ehevertrag gemeinsam auszuarbeiten. Denn wenn gemeinsame Kinder geplant sind, stellt sich häufig die Frage, wer für die Kindererziehung zeitweise zuhause bleibt und für wie lange. Sollte es in dieser Zeit zu Streitereien in der Ehe kommen ist es gerade für den Teil, der zu Hause bleibt wichtig Sicherheit dahingehend zu haben, weiterhin versorgt zu sein. Der Ehevertrag bietet die Möglichkeit, gemeinsame Regelungen zu darüber zu treffen und etwa einen Unterhaltsanspruch für die gemeinsam besprochene Betreuungs- und Erziehungszeit zu vereinbaren.
Kann man alles in einem Ehevertrag vereinbaren oder gibt es Grenzen?
Auch wenn einem der Ehevertrag die Möglichkeit bietet vieles zu regeln, hat der Gesetzgeber zum Schutz sowohl des „schwächeren“ Ehepartners als auch der Allgemeinheit gewisse Grenzen gesetzt. Diese Grenzen sind insbesondere dann überschritten, wenn die getroffenen Vereinbarungen einen der Ehepartner über die Maße benachteiligen würden oder die Scheidung selbst an die Erfüllung bestimmter Bedingungen geknüpft werden soll. Ebenso ist es nicht möglich im Ehevertrag Vereinbarung zulasten Dritter, beispielsweise der gemeinsamen Kinder, zu treffen. Man kann daher keine Unterhaltsansprüche der Kinder in einem Ehevertrag ausschließen.
Ob diese Grenzen bei dem vereinbarten Ehevertrag gewahrt wurde, prüft das Gericht im Falle einer Scheidung von Amts wegen, also automatisch. Auch aus diesem Grund ist das Klischee des Ehevertrages, der dazu führt, dass ein Ehegatte völlig benachteiligt wird, falsch. In einem solchen Fall würde das Gericht von sich aus dazu kommen, dass diese Regelungen nichtig sind und stattdessen auf die gesetzlichen Regelungen zurückgreifen.
Mein Fazit zum Ehevertrag
Ich bin der Ansicht, dass jedes Paar sich vor der Ehe zumindest mit den Möglichkeiten eines Ehevertrages auseinandersetzen und eine bewusste Entscheidung darüber treffen sollte, ob die gesetzlichen Regelungen den eigenen Vorstellungen entsprechen, oder ob von der Möglichkeit eines Ehevertrages Gebrauch gemacht werden soll. Dass dies häufig allein aufgrund des schlechten gesellschaftlichen Bildes von Eheverträgen nicht gemacht wird, ist in meinen Augen ein großes Problem. Denn in vielen Fällen kann eine Vereinbarung, die zu einer Zeit getroffen wird, in der beide Partner die gemeinsame Zukunft planen und einander nur das Beste wünschen, viel Ärger bei der Scheidung vermeiden. Denn ist die Ehe bereits gescheitert, fällt es den meisten Menschen schwer noch gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Und auch wenn der Ehevertrag – wie man es sich von Anfang an gewünscht hat – nie zum Einsatz kommt, kann es einem doch Sicherheit geben zu wissen, dass für den Fall der Fälle alles geregelt ist und kein Rosenkrieg ausbrechen wird.
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